15.02.2006
Wie hoch ist das Kriegsrisiko mit dem Iran?
Eine Analyse verschiedener Faktoren hinter der gegenwärtigen
Iran-Krise
von F. William Engdahl
In den vergangenen Wochen kursierten Presseberichte
über steigende Spannungen im Zusammenhang mit einem möglichen Bombenangriff auf
den Iran. In Verletzung allen internationalen Rechts und aller Gepflogenheiten
seit der Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki im Jahre 1945 diskutiert man
über eine mögliche Anwendung von Atombomben entweder durch die USA oder Israel,
um die tief unter der Erde gebauten iranischen Atomanlagen zu zerstören oder
unbrauchbar zu machen.
Die Möglichkeit eines Krieges gegen den Iran stellt viel
komplexere geostrategische und geopolitische Probleme als die Bombardierung und
Besetzung des Irak. Und der Irak hat sich für die USA als schwierig genug
herausgestellt. Im folgenden werden wir versuchen, einige der wichtigsten
Motive der Hauptakteure in diesem neuen Drama und die Perspektiven eines
möglichen Krieges herauszuarbeiten.
Zu den Akteuren des Dramas gehört die Bush-Administration,
insbesondere die von Cheney angeführten neokonservativen Falken, der jetzt
nicht nur das Pentagon, sondern auch die CIA, der Uno-Botschafter und in
zunehmendem Masse auch das Planungsbüro im Aussenministerium unter Condoleezza
Rice untersteht. Dazu gehört der Iran unter dem neuen und «unverblümten»
Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. Dazu gehört ebenso Putins Russland, ein
atomar bewaffnetes Mitglied des UN-Sicherheitsrates mit Vetorecht. Das nuklear
bewaffnete Israel gehört dazu, dessen gegenwärtiger Premierminister Ehud Olmert
kürzlich erklärte, dass Israel «unter keinen Umständen» die Entwicklung iranischer
Atomwaffen erlauben könne, «die unsere Existenz gefährden können». Ebenfalls
dazu gehört die EU, insbesondere Frankreich als ständiges Mitglied im
Sicherheitsrat und dessen an Einfluss verlierender Präsident Chirac. Auch China
gehört dazu, dessen Abhängigkeit von iranischem Öl und potentiellen natürlichen
Gasvorkommen gross ist.
Alle diese Akteure verfolgen verschiedene Pläne und
unterschiedliche Ziele, was die Frage des Iran zu einer der komplexesten der
jüngeren internationalen Politik macht. Was geht hier vor? Droht ein atomarer
Krieg - mit all dem, was das für die globale finanzielle und politische
Stabilität bedeutet? Was sind die möglichen und sogar wahrscheinlichen
Resultate?
Die grundlegenden Fakten
Als erstes lassen Sie uns die grundlegenden Fakten
überprüfen. Der jüngste Vorgang, bei dem Irans Präsident Ahmadinedschad die
Wiederaufnahme von vorübergehend unterbrochenen Arbeiten an einer atomaren
Anreicherungsanlage sowie zwei anderen Anlagen in Natanz ankündigte, liess
verständlicherweise die Alarmglocken ausserhalb des Iran lauter schrillen als
seine frühere aufhetzende antiisraelische Rede. Mohamed El Baradei,
Nobelpreisträger und Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO, eines
Uno-Organs, sagte, er sei nicht sicher, ob dies ein Atomwaffenprogramm
impliziere oder ob der Iran nur entschlossen sei, sich nicht von ausländischen
Mächten abhängig zu machen, was seine zivile Versorgung mit atomaren
Brennstoffen angehe. Aber, so fügte er hinzu, die Anhaltspunkte dafür seien
stärker als die gegen Saddam Hussein, eine eher deutliche Aussage für den sonst
so vorsichtigen El Baradei.
Als Folge der Wiederaufnahme der Forschung in Natanz
scheint zum erstenmal eine Koalition zwischen den USA und der EU,
einschliesslich Deutschlands und Frankreichs, mit China und sogar Russland
Gestalt angenommen zu haben - Russland drängt nun den Iran ebenfalls, davon
abzusehen. Im Hinblick auf die Pläne des Iran, die Anreicherung unabhängig von
der Meinung der Weltöffentlichkeit wiederaufzunehmen, kündigte Präsident George
Bush im vergangenen August an, es seien «alle Optionen auf dem Tisch». Das
implizierte in diesem Zusammenhang einen atomaren Angriff auf die
Nuklearanlagen des Iran. Jenes Statement führte zu einer deutlichen
Beschleunigung in den diplomatischen Bemühungen zur Verhinderung eines Krieges
von seiten der EU, angeführt von England, Deutschland und Frankreich, den
sogenannten EU-3. Diese drei teilten Washington mit, sie seien gegen eine
militärische Lösung. Seitdem erzählen uns Der Spiegel und andere, die Meinung
in der EU habe sich geändert und scheine sich nun der Position der
Bush-Administration anzunähern.
Der Prozess der Atomanreicherung
Es ist sinnvoll, sich kurz die Technologie der
Atomanreicherung zu vergegenwärtigen. Um Uran in einem Atomreaktor verwenden zu
können, wird es in Minen abgebaut, zerkleinert und gemahlen, umgewandelt,
angereichert und zu Brennstoff verarbeitet. Diese vier Schritte braucht es, um
die Versorgung (front-end) beim nuklearen Brennstoffzyklus zu gewährleisten.1
Nachdem Uran in einem Reaktor genutzt wurde, um
Elektrizität zu produzieren (use), werden die «abgebrannten Brennstäbe»
weiteren Bearbeitungsschritten unterzogen, welche von der Lagerung über die
Wiederaufbereitung bis zum Recycling reichen, bis sie schliesslich als Abfall
entsorgt werden. Diese Schritte werden allgemein als «Entsorgung» (back-end)
bezeichnet.
Die Anlage in Natanz ist Teil der «Versorgung» (des front-end) oder des Brennstoffaufbereitungszyklus. Erz wird zuerst zu Uranoxid (U3O8) zerkleinert, dem sogenannten «yellowcake», dann wird es in das gasförmige Uranhexafluorid (UF6) umgewandelt. Das Uranhexafluorid wird dann an eine Urananreicherungsanlage weitergeleitet, in diesem Fall nach Natanz, um eine Mischung zu produzieren, die 3-4% spaltbares Uran-235 enthält, einen nicht waffenfähigen nuklearen Brennstoff. So weit, so gut, was die Gefahr von Atomwaffen angeht.
Der Iran verfügt auf Grund seiner geologisch günstigen Lage über grosse Vorkommen von Uran in Minen in der Provinz Yazd, die es ihm erlauben, den Brennstoff selbst zu gewinnen, so dass er nicht auf Russland oder andere ausländische Importe angewiesen ist. In Arak hat er ausserdem eine Anlage zur Herstellung von schwerem Wasser, das dazu benutzt wird, einen Forschungsreaktor zu bremsen, dessen Bau 2004 begonnen wurde. Der Reaktor soll Urandioxid verwenden und könnte den Iran in die Lage versetzen, waffenfähiges Plutonium zu produzieren, und er könnte davon nach Schätzung einiger Wissenschafter eine Menge herstellen, die ausreichen würde, um ein oder zwei atomare Sprengsätze pro Jahr zu produzieren. Der Iran behauptet offiziell, die Anlage diene friedlichen medizinischen Forschungszwecken. Das friedliche Anliegen erscheint hier schon etwas dünner.
Atomare Anreicherung ist keine Kleinigkeit. Man baut eine
solche Anlage nicht im Hinterhof oder in der Garage. Frankreichs grosse
Anreicherungsanlage in Tricastin liefert Brennstoff sowohl für das
Atomstrom-Versorgungsnetz der EdF (Electricité de France) als auch für das
französische Atomwaffenprogramm. Es braucht vier grosse Reaktoren, allein um
die dafür benötigten mehr als 3000 Megawatt zu liefern. Frühere
Anreicherungsanlagen in den USA verwendeten die Methode der Gasdiffusion.
Anreicherungsanlagen in der EU und in Russland wenden ein modernes Zentrifugenverfahren
an, das sehr viel weniger Energie pro Anreicherungseinheit benötigt. Das
Zentrifugenverfahren ist auch das vom Iran verwendete. Um waffenfähiges Uran
herzustellen, braucht es mehr als den konventionellen, zivil genutzten
Uranbrennstoff.
Nicht unerheblich für den gegenwärtigen Disput um den Iran
ist auch die «Beseitigung» von waffenfähigem Uran - ein heute auch geopolitisch
interessanter Prozess. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion kam mittels
Verträgen, die eigentlich sicherstellen sollten, dass das sowjetische
Atomwaffenarsenal in die friedliche Nutzung überführt wird, waffenfähiges Uran
aus Armeebeständen im Zuge eines amerikanisch-russischen Abkommens auf den
zivilen Markt.
Heute stammt mehr als die Hälfte allen Urans, das für die
Gewinnung von Elektrizität in amerikanischen Atomkraftwerken genutzt wird, aus
russischen Militärlagern. 20% der gesamten in den USA produzierten Elektrizität
werden gegenwärtig nuklear hergestellt, was bedeutet, dass russisches Uran etwa
10% der gesamten amerikanischen Elektrizität generiert.
1994 wurde zwischen der US Enrichment Corporation (jetzt
USEC Inc.) und der russischen Techsnabexport (Tenex) als Vertreter der
russischen und der amerikanischen Regierung ein 12-Milliarden-Dollar-Vertrag
abgeschlossen. USEC verpflichtete sich, in den nächsten 20 Jahren mindestens
500 Tonnen waffenfähiges Uran zu kaufen mit einer jährlichen Rate von 30
Tonnen, beginnend mit dem Jahr 1999. Das [weit höherprozentige, waffenfähige]
Uran wird in Russland zu einer Mischung mit nur noch 4,4-prozentigem Anteil an
U-235 verarbeitet. USEC verkauft es dann seinen amerikanischen
Kraftwerksbetreibern als Brennstoff. Im September 2005 erreichte dieses
Programm mit 250 Tonnen seine Hälfte bzw. die Beseitigung von 10000 atomaren
Gefechtsköpfen.
Weltweit wird ein Sechstel des globalen Marktes für
kommerziell angereichertes Uran von Russland beliefert - aus russischen oder
anderen Vorräten an waffenfähigem Uran. Putin hat viele Karten, die er beim
Showdown für den Entscheidungskampf um das iranische Atomprogramm ausspielen
kann.
Die Frage, ob der Iran eine geheime Atomwaffenanlage baue,
kam erstmals im Jahre 2002 durch Vorwürfe von seiten einer iranischen
Exilgruppe auf. Natanz stand unter Beobachtung der IAEO, seit der Verdacht über
Irans Aktivitäten auftauchte. Er wurde in Berichten einer iranischen
Oppositionsorganisation, dem National Council of Resistance of Iran (NCRI -
Nationaler Rat für den Widerstand des Iran) publik gemacht und führte dazu,
dass der Chef der IAEO, Mohamed El Baradei, die iranischen Atomanlagen im
Februar 2002 besuchte, unter anderem auch die unvollständige Anlage in der
Stadt Natanz, etwa 500 Kilometer südlich von Teheran. Der NCRI ist der
-politische Zweig der umstrittenen Volks-mudschaheddin des Iran, die sowohl von
EU- wie US-Regierungen offiziell als Terroristen bezeichnet werden, mit denen
sie aber inoffiziell zunehmend gegen die Theokratie Teherans zusammenarbeiten.
Mögliche iranische Strategie
Es ist unbestreitbar, dass der neu gewählte iranische
Präsident Achmadinedschad eine stärkere Konfrontationspolitik betreibt als sein
Vorgänger. An einer Konferenz im September 2005 in Österreich, an der der Autor
dieses Artikels anwesend war, schockierte der iranische Botschafter in Wien
seine Zuhörer mit einer im wesentlichen auf der gleichen Linie liegenden
konfrontativen Rhetorik: «Wenn es zum Krieg kommt, ist der Iran bereit ... »
Nehmen wir an, dass die westlichen Medien die scharfen
Reden des Präsidenten korrekt wiedergeben. Wir müssen auch annehmen, dass in
einem theokratischen Staat die regierenden Mullahs als mächtigste politische
Institution im Iran hinter der Wahl des eher fundamentalistischen
Achmadinedschad stehen. Es wurde bereits spekuliert, die Militanz und
Missachtung gegenüber den USA und Israel habe zum Ziel, die Rolle des Iran als
der «Vorhut» einer antiwestlichen, theokratischen schiitischen Revolution
wiederaufleben zu lassen, in einer Zeit, in der die Unterstützung für die
Mullahs im Inneren und in der gesamten islamischen Welt abnimmt.
Nehmen wir ebenfalls an, dass Achmadinedschads Aktionen
recht vorsätzlich sind und in der Absicht erfolgen, den Westen aus bestimmten
Gründen zu sticheln und zu provozieren. Wenn der Iran durch den massiven Druck
des Westens an die Wand gedrängt wird - so scheint Achmadinedschads Regime zu
kalkulieren -, hat der Iran wenig zu verlieren, wenn er zurückschlägt.
Achmadinedschad steht nicht in Opposition zum iranischen
Klerus. Laut der pakistanischen Tageszeitung «Dawn» vom 24. Januar betonte
Ajatollah Jannati, der Sekretär des Rates der Verfassungswächter, die
Entschlossenheit des Iran, seine «unveräusserlichen» Rechte geltend zu machen:
«Wir schätzen Präsident Achmadinedschad, weil er eine aggressivere Aussenpolitik
im Hinblick auf die Menschenrechte und atomaren Angelegenheiten verfolgt als
seine Vorgänger Chatami und Rafsandschani», soll der Ajatollah gesagt haben.
«Präsident Achmadinedschad fragt, warum nur sie (die westlichen Mächte)
Inspektoren zur Kontrolle der Menschenrechte und des Atomprogramms in den Iran
senden sollten - wir wollen auch euch und eure Aktivitäten inspizieren und
darüber berichten», sagte Jannati. Der Teheraner Korrespondent der Zeitung
fügte hinzu: «Die Stimmung innerhalb der Führung des Landes bleibt
optimistisch, und allgemein ist man überzeugt, es sei möglich, internationale
Sanktionen zu überstehen - wenn es so weit kommt.»
In dieser Situation denken einige Exil-Iraner, es würde
Achmadinedschad und die Ajatollahs unterstützen, wenn neue UN-Sanktionen
verhängt werden sollten. In einer Zeit schwindenden revolutionären Geistes im
Lande könnte das dem Nationalismus im Inneren wieder Auftrieb geben und deren
Zugriff auf die Macht festigen.
Achmadinedschad hat einige recht provokante und vermutlich
berechnende Massnahmen ergriffen, vom Aufbrechen der Siegel an den Atomanlagen
bis hin zur Ankündigung einer Konferenz, die die Beweise für den Massenmord
durch die Nazis an europäischen Juden während des Zweiten Weltkriegs in Frage
stellt. Aber er hat auch mehrere Male öffentlich betont, dass der Iran, in
Übereinstimmung mit dem strengen islamischen Kodex, niemals eine nukleare
Waffe, eine Massenvernichtungswaffe, einsetzen werde, und dass der Iran nur
sein Recht als souveräne Nation auf ein vollumfängliches zivil genutztes
Atomprogramm einfordert.
Man sollte sich die Geschichte der iranischen Bemühungen
um ein Atomprogramm vor Augen halten. Sie begann im Jahre 1957, als Schah Reza
Pahlevi mit der Eisenhower-Regierung einen zivilen «Atome für den
Frieden»-Vertrag unterzeichnete. Der Iran erhielt 1967 einen amerikanischen
Forschungsreaktor. Dann, im Jahre 1974, nach der ersten Ölkrise, schuf der
Schah die Atomenergiebehörde für den Iran, deren erklärtes Ziel es war, die
Atomkraft für zivile Zwecke zu nutzen, um Öl zu ersetzen und mehr Öl für den
Export freizustellen, und um eine Atomwaffe zu bauen. Der zivil genutzte
Atomreaktorenkomplex in Bushehr wurde von Deutschland in den 1970er Jahren
unter der Herrschaft des Schah begonnen; zur selben Zeit begann der Iran,
grosse Anteile wichtiger deutscher Firmen wie Daimler und Krupp zu kaufen.
Nachdem Ajatollah Khomeini 1979 an die Macht gekommen war, befahl er, die
gesamten Arbeiten am Atomprogramm einzustellen, und zitierte islamische
Glaubenssätze, wonach Massenvernichtungswaffen unmoralisch seien.
1995 unterzeichnete das russische Aussenministerium mit
der iranischen Regierung einen Vertrag zur Fertigstellung der unvollendeten
Anlage in Bushehr und zu deren Versorgung mit nuklearem Brennstoff aus Russland,
vorausgesetzt, der Iran erlaube der IAEO die Überwachung und
Sicherheitsvorkehrungen. Laut einem Artikel vom März 2004 in der Zeitschrift
Meria enthielt das russisch-iranische Abkommen aus dem Jahre 1995 potentiell
gefährliche Transfers russischer Technologie, wie beispielsweise die
Anreicherungsmethode mittels Laser aus dem Forschungsinstitut Jefremov
(NIIEFA). Der ursprüngliche Vertrag des Iran mit Russland aus dem Jahre 1995
enthielt eine Zentrifugenanlage, die den Iran mit spaltbarem Material versorgt
hätte. Der Vertrag wurde damals auf Drängen Washingtons für nichtig erklärt.
Die Überwachung der Anlage in Bushehr dauerte so lange an,
bis die Berichte der Widerstandsbewegung NCRI über geheime Atomwaffenanlagen im
Jahre 2002 zu einem verstärkten Druck gegenüber dem Iran führten, allen voran
durch Präsident Bush, der in seiner Rede an die Nation vom Januar 2002 den Iran
als eine der drei Nationen in der «Achse des Bösen» aufführte. Das war zu einer
Zeit, als die Bush-Regierung tief in den Vorbereitungen zum Regimewechsel im
Irak steckte und der Iran eine eher untergeordnete Rolle spielte, nicht zuletzt
deswegen, weil Neokonservative wie Achmed Chalabi das Pentagon davon überzeugt
hatten, seine Verbindungen mit Teheran könnten den amerikanischen Plänen im
Irak nützen.
Seit jener Zeit sind die Beziehungen zwischen Teheran und
Washington alles andere als freundlich. Der Iran bereitet sich auf das vor, was
er als unvermeidlichen Krieg mit den Vereinigten Staaten bezeichnet.
Brigadegeneral Mahammd-Ali Jaafari, Befehlshaber der Revolutionären Garden,
erklärte der offiziellen Nachrichtenagentur IRNA am 9. Oktober 2005: «Da der
wahrscheinliche Feind technologisch sehr viel weiter ist als wir, haben wir
das, was man 'asymmetrische Kriegsführungs'-Methoden nennt, angewandt. Wir
haben alle notwendigen Übungen gemacht und unsere Streitkräfte sind jetzt gut
darauf vorbereitet.» Dies umfasst vermutlich terroristische Angriffe und die
Anwendung von Massenvernichtungswaffen, einschliesslich ballistischer Geschosse
zu deren Verbreitung.
Am 20. Januar kündigte der Iran an, er werde seine
Investitionen aus Europa zurückziehen. In der gleichen Woche kündigte die
UBS-Bank in Zürich an, sie werde alle iranischen Konten schliessen. Laut
Berichten der US-Schatzkammer besitzt der Iran allein geschätzte 103 Milliarden
US-Dollar Vermögenswerte in Dollar. Das ist Potential, um eine kurzfristige
finanzielle Irritation hervorzurufen, sollte der Iran seine gesamten in Dollar
angelegten Vermögenswerte auf einmal verkaufen.
Klar scheint, dass der Iran mit der Vervollständigung
einer unabhängigen Nuklearanlage trotzig fortfährt und darauf besteht, dass er
alle Regelungen des Atomwaffensperrvertrags und der IAEO einhalte. Der Iran
fühlt sich offensichtlich auch gut vorbereitet, wirtschaftliche Sanktionen
auszusitzen. Das Land ist der zweitgrösste Ölproduzent in der OPEC (mit 4,1
Millionen Barrel pro Tag im Jahre 2005), hinter Saudi-Arabien (mit 9,1
Millionen Barrel pro Tag). Es ist der viertgrösste Produzent der Welt, seine
Produktion liegt nur wenig unter jener der USA (mit 4,9 Millionen Barrel pro
Tag). Mit seinen 9,5 Millionen Barrel pro Tag im Jahre 2005 beansprucht
Russland, das grösste ölproduzierende Land der Welt zu sein.
Durch den hohen Ölpreis der jüngsten Zeit hat der Iran
zudem eine starke Kassenlage aufgebaut: Im Jahre 2005 hat er etwa 45 Milliarden
Dollar durch das Öl eingenommen, doppelt soviel wie im Durchschnitt der Jahre
2001-2003. Das versorgt ihn mit einer gut gefüllten Kriegskasse gegen
Sanktionen von aussen und gibt ihm die Möglichkeit, mehrere Monate überleben zu
können und gleichzeitig die Ölexporte ganz oder teilweise einzustellen. Das ist
eindeutig eine der vom Iran in Betracht gezogenen indirekten Waffen, die mit
Sicherheit zur Anwendung kämen, wenn die Situation eskalieren und der
UN-Sicherheitsrat Sanktionen aussprechen würde. Im heutigen ultraknappen
Ölmarkt, für den die Opec mit voller Kapazität produziert, gäbe es keinen
Spielraum, um die 4 Millionen iranischen Barrel pro Tag zu ersetzen. Ein
Schockpreis auf dem Niveau von 130 bis 150 Dollar pro Barrel wäre dann sehr
wahrscheinlich.
Der Iran hat jetzt entscheidenden Einfluss innerhalb der
von den Schiiten dominierten neuen Regierung im Irak. Die einflussreichste
Persönlichkeit im Irak ist heute der geistige Führer der Schiiten, Ajatollah
Ali Mohammed Al-Sistani, ein 75jähriger Kleriker, der im Iran geboren wurde. Am
16. Januar, als die neue irakische Regierung Al-Sistani die Bürgerrechte
angeboten hatte, erwiderte er: «Ich wurde als Iraner geboren und werde als Iraner
sterben.» Auch das verleiht Teheran bedeutenden Einfluss auf die politischen
Entwicklungen im Irak.
Die israelischen Optionen
Mit dem Abgang des alten Kriegers Ariel Sharon von der
politischen Bühne ist Israel gerade in dem Moment, in dem der Iran die schrillsten
Töne anschlägt, in eine politische Krise geraten. Am 28. März wird in Israel
eine neue Regierung gewählt. Unter den Bewerbern ist der zurzeit amtierende
Premierminister Ehud Olmert. Laut israelischen Medienberichten hat Präsident
George W. Bush beschlossen, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um zu
erreichen, dass Olmert, der den handlungsunfähigen Ariel Sharon vertritt, am
28. März zum Premierminister gewählt wird. Aussenministerin Condoleezza Rice
hat Olmert zu einem Besuch nach Washington eingeladen, der wahrscheinlich im
Laufe des nächsten Monats stattfinden wird.
Andere Meldungen besagen, dass der Vizepräsident - man
könnte sagen: der «spirituelle» Führer der US-Falken, Dick Cheney - insgeheim
die Kandidatur Benjamin Netanyahus als neuen Kopf der rechtsgerichteten
Likud-Partei unterstützt. Netanyahu hat zudem direkte Verbindungen zum
verurteilten US-Republikaner und Geldwäscher Jack Abramoff; sie datieren aus
der Zeit, als Netanyahu Sharons Finanzminister war. Journalisten aus Washington
berichten, dass Vizepräsident Dick Cheney und seine Berater David Addington und
John Hannah hinter den Kulissen daran arbeiten, dass der frühere
Premierminister Benjamin Netanyahu den amtierenden Ehud Olmert im März als
Premierminister ablöst. Cheney wirkt auf eine Niederlage der eher moderaten
Kadima-Partei - die Ariel Sharon und seine ehemaligen gemässigteren
Likud-Verbündeten gegründet haben - bei den Wahlen am 28. März hin.
Bush hat sich noch nicht ausdrücklich für die
Unterstützung von Olmert vernehmen lassen. Olmert hat aber betont, er wolle
weiterhin mit Amerika zusammenarbeiten, um einen palästinensischen Staat zu
verwirklichen. Israelischen Presseberichten zufolge wird Kadima, die neue
Partei der Mitte (der israelischen Mitte) von Olmert und Sharon, bei den Wahlen
wahrscheinlich einen erdrutschartigen Sieg davontragen - zum Entsetzen von
Cheneys und Karl Roves christlicher Rechten und ihrer neokonservativen Basis.
Laut der palästinensischen Zeitung «Al-Manar» hat die Bush-Administration
geheime Kontakte mit der palästinensischen Autonomiebehörde und einigen
arabischen Ländern aufgenommen, die ihr dabei helfen sollen, Olmerts Position
zu stärken.
Dem Bericht zufolge wurden sie von den USA darüber
informiert, dass sie (die USA) sehr daran interessiert sind, dass Olmert
Präsident der Kadima wird, damit er «den Prozess zur Lösung des
israelisch-palästinensischen Konflikts fortführt, den Sharon begonnen hat». Die
Zeitung berichtet weiter, Washington halte Olmert für einen «intelligenten
Führer, der zusammen mit seinen Ratgebern fähig sein wird, den Friedensprozess
anzuführen und die politischen Intrigen gegen ihn abzuwehren». Laut dieser
Zeitung hat das Weisse Haus Olmert sogar darüber in Kenntnis gesetzt, dass man
es gern sähe, wenn er Sharons Berater, allen voran Dov Weissglass und Shimon
Peres, in seinem Team behalten würde. Weissglass, Sharons persönlicher Anwalt
und Verbindungsmann nach Washington, erwähnte kürzlich, dass er in fast
täglichem Kontakt mit Condoleezza Rice stehe.
Am 22. Januar sprach Olmert das Thema Iran an. Laut dem
staatlichen israelischen Radio erklärte er, der Iran versuche, Israel in den
Konflikt um Teherans laufende Bestrebungen zur Urananreicherung hineinzuziehen,
er gehe aber mit Ariel Sharons -Position einig, dass Israel den Krieg gegen den
Iran nicht anführen wolle. Diese «Verantwortung falle in allererster Linie den
Vereinigten Staaten, Deutschland, Frankreich und dem Sicherheitsrat zu. Wir
müssen hier nicht die Anführer sein», erklärte Olmert. Im Gegensatz hierzu
äusserte sein Verteidigungsminister Shaul Mofaz, Israel werde nicht dulden,
dass der Iran nukleare Unabhängigkeit erreicht, eine Aussage, von der Analysten
glauben, sie könnte eine mögliche militärische Aktion Israels signalisieren,
mit offiziellem Einverständnis der USA oder ohne ihre Zustimmung.
All das deutet auf eine klare innerisraelische Spaltung
hin, und zwar zwischen einer zukünftigen Regierung Olmert auf der einen Seite,
die nicht darauf aus ist, einen präemptiven Schlag gegen iranische
Nuklearanlagen zu lancieren, und Netanyahu auf der anderen Seite, der von jeher
einen harten aussenpolitischen Kurs verfolgt und mit den amerikanischen
Neokonservativen verbunden ist.
Es ist bemerkenswert, dass Kenneth Timmermann, ein
prominenter Washingtoner Neokonservativer, Mitte Januar im israelischen Radio
erklärte, er erwarte einen israelischen Präemtivschlag gegen den Iran
«innerhalb der nächsten 60 Tage»; das heisst, kurz vor oder nach den Wahlen in
Israel. Timmermann ist eng verbunden mit Richard Perle, mit Cheneys verurteiltem
Stabschef Lewis Libby sowie mit Dough Feith und Michael Ledeen.
Die Frage ist, ob die israelische Bevölkerung des Krieges
überdrüssig ist, sei es mit Palästina oder mit dem Iran, und eine
Kompromisslösung suchen will. Umfragen scheinen darauf hinzuweisen. Die
ungemein starke Machtdemonstration der Hamas bei den palästinensischen Wahlen
von 25. Januar könnte die Stimmung in Israel allerdings wieder umschlagen
lassen. Am Tag nach ihrem Wahlerfolg - so berichtete das israelische
Online-Nachrichtenportal Ynet - erklärte Hamas-Führer Mahmoud A-Zahhar, seine
Bewegung werde von ihrer Verpflichtung, Israel zu zerstören, nicht abrücken.
Letzte Woche tauchte ein neues Element in der Chemie des
schon lang bestehenden Israel-Likud-US-Kongress-Einflussnetzes auf: Larry A.
Franklin, ein früherer Iran-Experte des Pentagon und enger Freund führender
Neokonservativer im Pentagon, wurde zu 12 Jahren und 7 Monaten Gefängnis
verurteilt, und zwar für die Weitergabe von geheimen Pentagon-Informationen an
pro-israelische Lobbyisten mit Hilfe des American-Israel Public Affairs
Committee AIPAC (Amerikanisch-israelisches Komitee für öffentliche
Angelegenheiten), einer einflussreichen Lobby-Organisation mit Sitz in
Washington. AIPAC ist seit Jahren das Herzstück der Verbindungen zwischen der
rechtsgerichteten israelischen Likud-Partei und Mitgliedern des US-Kongresses.
Seine Macht soll so gross sein, dass es darüber entscheiden kann, welcher
Kongressabgeordnete gewählt oder wiedergewählt wird. Früher hielt man diese
Organisation für «unberührbar». Damit scheint es jetzt vorbei zu sein.
Franklin bekannte sich im Oktober letzten Jahres schuldig,
Informationen an AIPAC- Lobbyisten und den israelischen Diplomaten Naor Gilon
weitergegeben zu haben. Steve Rosen und Keitz Weissman, die 2004 im Zuge dieser
Affäre von der AIPAC hinausgeworfen worden waren, müssen sich wegen der
Weitergabe vertraulicher Informationen an Israel - vermutlich über den Iran -
vor Gericht verantworten. Das Urteil gegen Franklin hat in wichtigen jüdischen
Organisationen der USA, einschliesslich der Anti-Diffamierungs-Liga von B'nai
Brith, gewaltige Schockwellen hervorgerufen. Die Verurteilung hat ein
lebenswichtiges Lobby-Instrument von AIPAC und anderen pro-israelischen
Lobby-Gruppen schwer getroffen, nämlich die bezahlten Reisen von
Kongress-Abgeordneten nach Israel. Jedes Jahr werden Hunderte -Politiker von
Unterorganisationen solcher Gruppen wie dem AIPAC und dem American Jewish
Committee (AJC) nach Israel geflogen; Reisen, die Vertreter der jüdischen
Führungselite als unerlässliches Instrument im pro-israelischen Lobbyismus
bezeichnen.
Die Bush-Administration hat - ohne Erfolg - versucht, den
Franklin-Fall unter den Teppich zu kehren. Es gelang nur, die Verhandlung bis
nach den Wahlen vom November 2004 zu verschieben. Sowohl der Franklin-Skandal
als auch die Lobby-Affäre um Jack Abramoff haben das Geld-Netzwerk zwischen der
Likud-Partei und dem Weissen Haus schwer getroffen und könnten zu einer
bedrohlichen Schwächung der israelischen Falken-Fraktion um Netanyahu beitragen.
Der russische Faktor im Iran
Putins Russland spielt bei der heraufziehenden Kraftprobe
um den Iran eine entscheidende Rolle. Man darf nicht vergessen, dass Russland
in geopolitischer Hinsicht für die USA den höchsten «Preis», sozusagen das
«Endspiel» in ihrer mehr als zehnjährigen Langzeitstrategie, darstellt, die zum
Ziel hat, ganz Eurasien zu kontrollieren und jeden möglichen Rivalen aus dem
Felde zu schlagen, der die Hegemonie der USA in Frage stellen könnte.
Es sind russische Ingenieure und technische Berater, die
im Iran das Atomkraftwerk von Bushehr bauen - mindestens 300 russische
Techniker. Der Iran ist seit einiger Zeit strategischer Partner der
Putin-Regierung bei ihren Bemühungen, britisch-amerikanische Pläne zur
Kontrolle des kaspischen Öls zu durchkreuzen. Der Iran ist seit dem
Zusammenbruch der Sowjetunion einer der Hauptkäufer russischer Rüstungsgüter,
ausserdem kauft er russische Nukleartechnologie und Know-how.
Im März 2005 wurden die iranisch-russischen Beziehungen um
einiges enger. Damals willigte Moskau ein, Teheran ein «defensives»Raketensystem
zu verkaufen, das zukünftige Rüstungsverträge über 7 Milliarden Dollar umfasst.
Im Jahre 2000 hatte Putin angekündigt, dass Russland ein geheimes Abkommen mit
den USA über den Nicht-Verkauf russischer Waffen an den Iran, das noch Boris
Jelzin abgeschlossen hatte, nicht weiter befolgen werde. Seit diesem Zeitpunkt
sind die russisch-iranischen Beziehungen noch enger verflochten, um es milde
auszudrücken.
Zurzeit lässt Moskau verlauten, es stehe mit dem Iran in
Verhandlungen über den Bau von fünf bis sieben weiteren Atomreaktoren auf dem
Bushehr-Gelände, nachdem der jetzt im Bau befindliche fertiggestellt sei.
Russ-land erwartet 10 Milliarden Dollar aus dem Geschäft mit den geplanten
grossen Bushehr-Reaktoren sowie zusätzlichen Waffenverkäufen an den Iran.
Gegenwärtig baut es den iranischen Reaktor auf Kredit, den der Iran erst nach
Fertigstellung des Projektes bezahlen muss. Sanktionen und Ermahnungen werden
an Russlands Beziehungen zu dem am meisten dämonisierten Staat auf Amerikas
«Achse des Bösen» nichts ändern. Für Moskau ist der Iran ein gewaltiges
Gegengewicht im geopolitischen Spiel Washingtons um die totale Herrschaft über
Eurasien geworden, und Putin ist sich dieses Potentials sehr wohl bewusst.
Ein Blick auf die Landkarte zeigt, wie wichtig der Iran
für Russlands geopolitische Strategie ist, ebenso wie für Israel und die USA.
Der Iran kontrolliert die Strasse von Hormuz, den strategischen Flaschenhals,
den das Öl vom Persischen Golf nach Japan und in den Rest der Welt passieren
muss. Der Iran liegt ausserdem am ölreichen Kaspischen Meer.
Bemerkenswert ist auch ein Bericht der russischen
Tageszeitung «Kommersant» vom 23. Januar, wonach Armenien, das zwischen dem
Iran und Georgien liegt, sich bereit erklärt habe, 45% der Kontrolle seiner
iranisch-armenischen Gaspipeline an Russlands Gazprom zu verkaufen. Die
russische Tageszeitung fügte hinzu: «Wenn Russland diese Pipeline übernimmt,
wird es in der Lage sein, den Transit von iranischem Gas nach Georgien, in die
Ukraine und nach Europa zu kontrollieren.» Das wäre ein herber Schlag gegen die
zahlreichen Operationen Washingtons, um US- und Nato-freundliche Regierungen in
Georgien und in der Ukraine einzusetzen. Darüber hinaus würde es die
iranisch-russischen Energiebeziehungen weiter festigen. Zwar hat die armenische
Regierung abgestritten, ihre Zustimmung gegeben zu haben; aber die
Verhandlungen mit Gazprom gehen weiter, wobei diese mit der Aussicht lockt, den
bisherigen Preis pro 1000 Kubikmeter Gas von 54 Dollar auf 110 Dollar zu
verdoppeln, es sei denn, Armenien erklärt sich mit dem Verkauf einverstanden.
Russland verfolgt im Hinblick auf die Kooperation mit dem
Iran eine komplexe Strategie. Minatom, der russische Atomenergiekonzern,
kündigte vor einiger Zeit an, dass Russland mit Teheran die Möglichkeit
diskutiere, wie die iranische Nuklearkapazität bis 2020 um 6000 Megawatt erhöht
werden könne. Vor einem Jahr bestätigte das russische Aussenministerium, dass
Moskau den Iran auch mit Brennstoff für den Bushehr-Reaktor versorgen werde,
wenn der Iran die Zusatzprotokolle der IAEA nicht unterzeichnen würde. Zwar hat
Putin der Welt versichert, der Iran müsse beweisen, dass er den
Atomwaffensperrvertrag (Non Proliferation Treaty) voll einhalte, bevor der
Nuklear-Transfer stattfinden könne, aber das russische Aussenministerium hatte
zuvor mitgeteilt, dass das Unvermögen der IAEA, den Iran zu verurteilen,
Russland die Tür für die Hilfe beim Bau zukünftiger Reaktoren im Iran geöffnet
habe. Putin hat es geschafft, Russland dem augenblicklich stattfindenden
globalen Showdown um den Iran quer in den Weg zu stellen, eine Position, die
einigen in Moskau deutlich zeigt, dass Russland sich als «Global Player»
zurückgemeldet hat. Und zweifellos mehr als das.
Der russische Verteidigungsminister Sergei Ivanov erklärte
am 18. Januar in einer Diskussion mit der Tageszeitung «Nezavisimaya Gazeta»:
«Es bringt Russland nichts, Sanktionen gegen den Iran zu verhängen, da wir erst
vor kurzem einen Vertrag unterzeichnet haben, ihnen Raketenabwehrwaffen mittlerer
Reichweite im Wert von 1 Milliarde Dollar zu verkaufen. Diese modernen Waffen
können Ziele innerhalb einer Reichweite von 25 Kilometern treffen und werden
wahrscheinlich dazu verwendet werden, Versuchsanlagen im Iran zu verteidigen.
Wenn die Lieferungen aus Russland schnell genug erfolgen, können wir mit einer
starken Antwort rechnen, falls Versuche gemacht werden, das Land anzugreifen.
Mit anderen Worten: Der Iran wird sich selber verteidigen können.»
Ivanov fügte einen bedeutsamen Nachsatz hinzu: «Wenn
jedoch ballistische Flugkörper verwendet werden, kann damit erfolgreich auf
Nuklearanlagen gezielt werden. Wir sollten nicht vergessen, dass auf einigen
dieser Anlagen russische Experten arbeiten; Russland hat kein Interesse an
einem militärischen Szenario, und sei es nur zum Schutz dieser Experten.»
Russlands momentane Strategie besteht darin, sein
früheres, von Teheran zunächst abgelehntes Angebot zu wiederholen, nämlich den
Uranbrennstoff zur Wiederaufbereitung vom Iran nach Russland zu bringen, was die
Krise erheblich entschärfen würde. Am 25. Januar erklärte der iranische
Spitzenunterhändler für nukleare Angelegenheiten, Ali Larijani, Teheran
betrachte Moskaus Angebot, iranisches Uran in Russland anzureichern, als eine
«positive Entwicklung». Bis jetzt sei jedoch, so eine AP-Meldung, noch keine
Übereinkunft zwischen den beiden Ländern erzielt worden.
Larijani wiederholte die Drohung des Iran, die
Urananreicherung wiederaufzunehmen, wenn die Angelegenheit vor den
UN-Sicherheitsrat gebracht werde. Moskau hat vorgeschlagen, den iranischen
Uranbrennstoff in Russland anreichern zu lassen, um ihn dann zur Nutzung in den
Reaktoren in den Iran zurückzubringen - ein Kompromiss, der, zumindest
theoretisch, mehr Kontrolle ermöglichen und Spannungen mit Europa und den
Vereinigten Staaten abbauen könnte. Es sind Verhandlungen über die Details im
Gang, unter anderem auch über den iranischen Vorschlag, China am russischen
Anreicherungsprozess zu beteiligen.
Nach seinem Treffen mit dem Chef des russischen
Sicherheitsrats, Igor Ivanov, teilte Larijani der Presse mit: «Unsere
Beurteilung dieses Angebotes ist eine positive, und wir versuchen, die
Positionen der beiden Seiten einander anzunähern.» Nach dem geplanten
Krisentreffen der IAEA vom 2. Februar werden weitere Gespräche stattfinden.
Iranische Oppositionsgruppen behaupten, der russische Vorschlag sei nur ein
Trick, um den Westen zu spalten und Zeit zu gewinnen. In einer gemeinsamen
Erklärung sagten Larijani und Ivanov, Teherans Atomproblem müsse durch
diplomatische Bemühungen in der Atomaufsichtsbehörde der Vereinten Nationen
gelöst werden.
Der chinesische Faktor im Iran
Im Zuge seiner immer dringenderen Suche nach einer
sicheren Langzeit-Energieversorgung hat China umfassende wirtschaftliche
Verbindungen zum Iran aufgebaut. Angefangen hat dies im Jahr 2000, als Peking
den iranischen Präsidenten Khatami zu Gesprächen über die Möglichkeit der
Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Energie und Wirtschaft einlud und ihm
buchstäblich den roten Teppich ausrollte. Im November 2004 nahmen die
Beziehungen - interessanterweise zeitgleich mit dem zweiten Bush-Wahlsieg -
einen gewaltigen Aufschwung, als China riesige Öl- und Gaslieferverträge mit
Teheran unterzeichnete.
Die beiden Länder unterzeichneten einen Vorvertrag, dessen
Wert zwischen 70 und 100 Milliarden Dollar beträgt. China wird iranisches Öl
und Gas kaufen und bei der Entwicklung des iranischen Yadavaran-Ölfeldes
helfen, das nahe der irakischen Grenze liegt. Im selben Jahr wurde der Verkauf
von verflüssigtem iranischem Gas an China im Wert von 20 Milliarden Dollar
während der nächsten 25 Jahre vereinbart.
Irans Öl-Minister erklärte damals: «Japan ist aus
historischen Gründen unser Energie-Importeur Nummer eins. Aber wir würden heute
den Exporten nach China gerne den Vorzug geben.» China ist im Gegenzug
wichtigster Exporteur industriell gefertigter Güter in den Iran geworden. Es
werden Computersysteme, Haushaltapparate und Autos geliefert.
Zusätzlich zu diesen Warenlieferungen ist Peking seit den
1980er Jahren einer der grössten Militärtechnologielieferanten des Iran. Der
chinesische Waffenhandel schliesst konventionelle Waffen, Raketen sowie
nukleare und chemische Waffen ein. Abgesehen von Pakistan und Nordkorea ist
Chinas Waffenhandel mit dem Iran umfassender und anhaltender als mit irgend
einem anderen Land.
China hat dem Iran Tausende von Panzern, gepanzerten
Personenfahrzeugen und Artilleriezubehör, mehrere Boden-Luft-Raketen,
Luft-zu-Luft-Raketen und Marschflugkörper sowie Tausende Panzerabwehr-Raketen,
mehr als hundert Kampfflugzeuge und Dutzende kleiner Kriegsschiffe verkauft.
Man geht allgemein davon aus, dass China dem Iran ausserdem bei der Entwicklung
seiner Marschflugkörperproduktion behilflich war und das Land mit Technologie
und anderer Hilfe bei der Entwicklung seines heimlichen Chemie- und
Nuklearwaffenprogramms unterstützt hat. Zusätzlich versorgte China den Iran mit
wissenschaftlichem Know-how, technischer Kooperation, Technologietransfer,
Produktionstechnologie, Entwürfen und Dual-use-Gütern, das heisst zivil und
militiärisch nutzbaren Gütern.
Kurz gesagt, der Iran ist mehr als ein strategischer
Partner für China. Im Zuge der unilateralen Entscheidung der Vereinigten
Staaten, gegen den Irak in den Krieg zu ziehen, wiesen Berichte aus
chinesischen Medien darauf hin, dass die Pekinger Führung insgeheim erkannte,
dass die eigene langfristige Energieversorgung nicht mehr sicher und von
Washingtons aggressiver neuer präemptiver Kriegsstrategie existentiell bedroht
war. Darauf begann China wichtige Schritte zu unternehmen, um die totale
Kontrolle der Vereinigten Staaten über die wichtigsten Öl- und Gasreserven der
Welt zu umgehen oder zunichte zu machen. Dem Iran fällt bei dieser Strategie
nun eine Hauptrolle zu.
Das wird durch die chinesische Forderung unterstrichen,
dass das iranische Nuklearproblem im Rahmen der IAEA gelöst werden soll und
nicht im UN-Sicherheitsrat, wie es Washington gern hätte. China würde sicher
sein Veto androhen, sollte der Iran in der Absicht, Sanktionen gegen ihn zu
verhängen, vor die Vereinten Nationen gebracht werden.
Die Beziehungen der EU zum Iran
Die EU ist wichtigster Handelspartner des Iran sowohl was
den Import als auch was den Export angeht. Ganz offensichtlich möchten die
Mitgliedstaaten der EU einen Krieg mit dem Iran und alles, was er für die EU
mit sich bringen würde, vermeiden. Die Handelsbilanz der EU mit dem Iran ist
auf Grund der umfangreichen Ölimporte negativ. Deutschlands neue CDU-geführte
Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel hat sich deutlich darum bemüht, die
früheren engen Verbindungen zu den USA wieder aufzugreifen, nachdem das
Verhältnis unter dem früheren Kanzler Gerhard Schröder angespannt war, der
zusammen mit Frankreichs Premier Chirac in den Jahren 2002 und 2003 offen gegen
den Irak Krieg Stellung bezogen hatte.
Chirac seinerseits ist Gegenstand heftigster Kontroversen,
seit er am 19. Januar eine Rede hielt, in der er die traditionelle französische
Nukleardoktrin, die da lautete: «Kein Erstschlag» aufhob. Sollte eine
terroristische Nation Frankreich angreifen, so erklärte er, würde er auch einen
atomaren Vergeltungsschlag für angemessen halten. Allein diese Erklärung eines
französischen Präsidenten hat einen internationalen Aufruhr hervorgerufen. Ob
es sich hier um psychologische Kriegsführung gehandelt hat, deren Ziel es war,
auf den Iran Druck auszuüben, oder um den Ausdruck einer grundsätzlichen
Kursänderung in der französischen Nukleardoktrin hin zu einer Politik des
Präemptivschlages oder etwas ähnlichem, ist noch nicht klar. Klar ist aber,
dass die Regierung Chirac einem Entscheid der USA, Uno-Sanktionen gegen den
Iran zu verhängen, nicht im Wege stehen wird. Ob das auch für einen von den USA
sanktionierten Atomschlag gilt, ist nicht klar.
Die EU-3 (Deutschland, Frankreich und Grossbritannien),
deren Verhandlungen auf der Ebene der Diplomatie bisher zu keinen Ergebnissen
geführt haben, streben jetzt ein effektiveres Vorgehen gegen den iranischen
Beschluss an, mit der Urananreicherung fortzufahren. Das Problem ist nur, dass
die EU ausser atomarem Säbelrasseln nicht viele Karten zu spielen hat. Sie
braucht die iranische Energie. Sie ist sich auch bewusst, was ein Krieg gegen
den Iran im Hinblick auf terroristische Vergeltungsschläge bedeuten würde. Die
EU ist, gelinde gesagt, äusserst nervös und alarmiert angesichts eines
möglichen militärischen Showdowns zwischen den USA und dem Iran oder zwischen
einer Allianz Israel-USA gegen den Iran.
Die Rolle der Bush-Administration
Anders als bei der Vorbereitung auf den Irak-Krieg, als es
der schockierten Welt klar wurde, dass die Bush-Administration den Krieg auf
jeden Fall führen würde, war Wash-ington hinsichtlich des Iran bisher bereit,
den EU-Staaten die diplomatische Führung zu überlassen. Erst in den letzten
Wochen verstärkte sie öffentlich den Druck auf den Iran. Am 19. Januar
wiederholten die USA, dass weder sie noch die europäischen Partner gewillt
seien, mit dem Iran an den Verhandlungstisch zurückzukehren. «Die internationale
Gemeinschaft ist sich in ihrem Misstrauen gegen Teherans Nukleartechnologie
einig», sagte Aussenministerin Condoleezza Rice. « ... Die Zeit ist reif für
eine Überweisung des Iran an den Sicherheitsrat», fügte sie hinzu. Das Wort
«Überweisung» war von Rice bewusst gewählt. Würde über den Iran im
Sicherheitsrat nur «berichtet», dann fehlte der Debatte rechtliches Gewicht.
Eine formelle «Überweisung» ist notwendig, wenn der Rat irgendwelche Strafen,
wie zum Beispiel Wirtschaftssanktionen, verhängen soll.
Die Neokonservativen, obwohl in dieser zweiten
Bush-Administration etwas weniger sichtbar, sind noch genauso aktiv, besonders
über Cheneys Büro. Sie wollen eine präemptive Bombardierung der iranischen
Atomanlagen. Was immer Cheneys Büro tun mag, offiziell verfolgt die
Bush-Administration einen deutlich anderen Weg als 2003. Damals zielten die
diplomatischen Bemühungen darauf ab, Verbündete für den Krieg zu gewinnen.
Dieses Mal suchen amerikanische Diplomaten nach einem internationalen Konsens
über die Art des Vorgehens oder versuchen zumindest, einen solchen Eindruck zu
erwecken.
Der Irak und das zunehmende Desaster für die USA dort
haben die US-Optionen für den Iran erheblich eingeschränkt. 2003, nach dem
«Sieg» im Irak, riefen führende neokonservative Falken Bush lautstark dazu auf,
nach Teheran vorzurücken. Heute, angesichts des «blutigen Morastes» im Irak,
sind die USA massiv eingeschränkt, unilateral vorzugehen. Angesichts von 135000
Soldaten, die im Irak gebunden sind, kann sich die US-Armee rein physisch keine
neue Invasion und Besatzung eines anderen Landes leisten und schon gar nicht
die des Iran.
Angesichts der Grösse des Landes könnten für eine Invasion
mit Bodentruppen doppelt so viele Soldaten wie im Irak nötig sein, sagt Richard
Russell, ein Experte für den Nahen Osten an der National Defense University
(Nationalen Verteidigungsuniversität) in Washington. Ein Angriff aus der Luft
könnte zwar die iranische Luftabwehr ausschalten, er könnte aber auch eine neue
Terrorwelle und Unterbrechungen der Ölversorgung auslösen. In der Frage, ob ein
Atomschlag gegen den Iran Erfolg haben könnte, ist Washington intern in zwei
Lager gespalten.
Die Auswirkungen der AIPAC- und Abramoff-Affären auf
Washington
Ein neues, wenig beachtetes Element in der politischen Landschaft
um Bushs Weisses Haus sind die zwei vernichtenden Strafverfolgungsprozesse, die
das Herz des schwarzen und grauen Finanznetzwerkes zwischen Washingtons
Republikanern und dem rechten israelischen Likud getroffen haben.
Jack Abramoff, Finanzpatron mehrerer prominenter
Republikaner, einschliesslich des früheren Mehrheitsführers im
Repräsentantenhaus, Tom Delay, und Steve Rosen, die graue Eminenz hinter dem
AIPAC, waren zwei der einflussreichsten jüdischen Lobbyisten in Wash-ington,
bevor die Rechtsskandale ihre Karrieren effektiv beendeten und sie alle Hände
voll zu tun hatten, nicht ins Gefängnis zu kommen.
Abramoff hat sich des Betrugs, der Steuerhinterziehung und
der Verschwörung schuldig bekannt, die im Zusammenhang mit seiner Lobbyarbeit
für die Interessen indianischer Spielkasinos stehen. Dieser Skandal könnte noch
weit mehr Kongressabgeordnete und selbst Politiker im Weissen Haus betreffen.
Rosen hat mit Anschuldigungen zu kämpfen, wonach er als
Chefstratege des AIPAC geheime, die nationale Sicherheit betreffende
Informationen von Larry Franklin entgegengenommen und an unautorisierte Kreise
weitergegeben hat. Vielleicht ist es nur Zufall, dass zwei derart bedeutende
Gerichtsprozesse, die für die Lobbymacht der rechtsgerichteten israelischen Falkenelemente
so ausserordentlich schädlich sind, genau zu dem Zeitpunkt eingeleitet werden,
als die Kriegstrommeln gegen den Iran gerührt werden.
Das Drama des AIPAC begann im August 2005: Am Vorabend des
Parteitages der Republikaner führte das FBI auf der Suche nach belastenden
Dokumenten eine Razzia in den Gebäuden der Organisation durch. Ein Jahr später,
im August 2005, erhob der Bundesstaatsanwalt für den Eastern District von
Virginia Anklage gegen Rosen, bis dahin für die Aussenpolitik beim AIPAC zuständig,
und Keith Weissman, der Iran-Experte beim AIPAC gewesen war. Die Regierung gab
bekannt, dass sie die Männer schon seit über vier Jahren beobachtet hatte, und
brachte bei Gericht vor, dass sie Geheiminformationen entgegengenommen und
weitergegeben hatten. Die Anklage bezeichnete einen Pentagon-Angehörigen,
Lawrence Franklin, als ihren Mitverschwörer. Franklin, der sich bereit erklärt
hatte, mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten, bekannte sich im
Oktober 2005 schuldig, Geheimdokumente an unautorisierte Personen weitergegeben
und solche Dokumente unrechtmässig in seinem Haus aufbewahrt zu haben. Er wurde
letzte Woche zu zwölf Jahren und sieben Monaten Gefängnis verurteilt.
Bush, De-facto-Chef seiner Partei, muss im November mit
einer möglicherweise vernichtenden Wahlniederlage im Kongress rechnen. Während
der Irak weiter im Sumpf versinkt und immer mehr Amerikaner fragen, wofür
ausser für Öl sie im Irak eigentlich sterben, ist Bushs Popularität weiter
gefallen. Heute unterstützen ihn nur noch 46 Prozent der Bevölkerung. Mehr als
53 Prozent der Amerikaner haben eine negative Meinung über Bush zum Ausdruck
gebracht. Das Debakel im Zusammenhang mit der stümperhaften Reaktion der
Regierung auf den Hurrikan Katrina, die zunehmende Erkenntnis, dass Bush die
Öffentlichkeit belogen hat, all diese Faktoren spielen zusammen und untergraben
ernsthaft die Chancen der Republikaner im November.
Der üble Geruch von Insider-Deals - nicht nur bei Cheneys
Halliburton - wird stärker, und die Medien beschäftigen sich immer öfter damit.
Das ist neu. Konservative Republikaner sind empört über die Ausgabenorgie, der
Bushs Republikaner gefrönt haben, um ihre eigenen Sonderinteressen zu schützen.
Michael Reagan, der konservative Sohn des früheren Präsidenten, hat neulich einen
Artikel veröffentlicht, in dem er schrieb: «Republikanische Kongressabgeordnete
versprachen einzelnen Mitgliedern des Kongresses bis zu 14 Millionen Dollar an
Ausgabenkontingenten, über die sie frei verfügen könnten (sog. «free
earmarks»), wenn sie Bushs Gesetzesvorlage über 286,5 Milliarden Dollar für
Transport und Verkehr unterstützen würden - was sie auch taten.» Laut Reagan
«ergaben sich für das Gesetz 6300 Projekte, für die solche frei zur Verfügung
stehenden Mittel eingesetzt wurden, sie kosteten den Steuerzahler 24 Milliarden
Dollar - ein klarer Fall von Bestechung. Die bestochenen Leute waren
Kongressmitglieder. Die Leute, die sie bestachen, waren Kongressmitglieder.
Kongressabgeordete bestechen Kongressabgeordnete.»
Eine kürzlich durchgeführte Fox-Umfrage kam zum Ergebnis,
dass die Amerikaner die republikanische Kongressmehrheit als wesentlich
korrupter und als in weit grösserem Ausmass für die derzeitige Skandalflut
verantwortlich betrachten als die Demokraten.
Conplan 8022
Im Januar 2003 unterzeichnete Präsident Bush eine geheime
präsidiale Anweisung, Conplan 8022-02. Conplan 8022 ist ein Kriegsplan, der
sich von allen früheren darin unterscheidet, dass in ihm «kein Einsatz von
Bodentruppen» («no ground troups») vorgesehen ist. Dieser Plan war speziell
dafür ausgearbeitet worden, um mit bevorstehenden Bedrohungen, wie sie von
Staaten wie Nordkorea oder Iran ausgehen, fertig zu werden.
Im Unterschied zum konventionellen Kriegsplan für den
Irak, der eine koordinierte Vorbereitung der Luft-, Boden- und Seestreitkräfte
erfordert hatte, bevor er umgesetzt werden konnte - ein Prozess, der Monate,
wenn nicht Jahre dauert -, verlangt Conplan 8022 einen hochkonzentrierten
Schlag, in dem Bombardierungen mit elektronischer Kriegsführung und
Cyber-Angriffen kombiniert werden sollen, um den Gegner reaktionsunfähig zu
machen; indem man die Stromversorgung kappt, die Kommunikation unterbricht und
die Computernetzwerke mit Hackerangriffen lahmlegt.
Conplan 8022 beinhaltet ausdrücklich eine nukleare Option.
Dabei sollen speziell konfigurierte bunkerbrechende «Mini-nukes» zum Einsatz
kommen, die unterirdische Anlagen wie die des Iran zerstören können. Am 15. Mai
2005 berichtete die «Washington Post», dass Verteidigungsminister Rumsfeld im
Sommer 2005 eine streng geheime «Interim Global Strike Alert Order» genehmigte,
das ist ein Befehl, der rund um die Uhr militärische Bereitschaft anordnet, die
von «Stratcom», der strategischen Kommandozentrale in Omaha, geführt wird. Bis
dahin hatte Stratcom - bedrohlich genug - nur die Nukleareinheiten unter sich
gehabt. Im Januar 2003 unterzeichnete Bush eine Definition des «full spectrum
global strike», eine militärische Option, die im Krieg atomare Präzisionswaffen
ebenso wie konventionelle Bomben und Kriegführung im Raum vorsieht. Sie war die
Fortsetzung von Präsident Bushs Nationaler Sicherheitsstrategie vom September
2002, mit der eine Politik «präemptiver Kriege» zur strategischen Doktrin der
USA erhoben wurde.
Die drängende Frage ist, ob sich Bush und das Weisse Haus
- angesichts fallender Popularitätswerte und demnächst stattfindender
landesweiter Wahlen, fortwährender Skandale und ständigem Einflussverlust - das
Unvorstellbare vorstellen und noch vor den Novemberwahlen den «präemptiven
Atomschlag» auf den Iran befehlen könnten, vielleicht kurz nach den
israelischen Wahlen am 28. März.
Einige Analysten des Pentagon waren der Ansicht, anders
als beim Irak sei die gesamte US-Strategie gegenüber dem Iran eher eine
sorgfältig abgestimmte Eskalation von psychologischem Druck und Bluff, um den
Iran zum Nachgeben zu zwingen. Angesichts der strategischen Bedrohung, der sich
der Iran seit 2003 durch amerikanische oder israelische Truppen an seinen
Grenzen gegenübersieht, scheint es klar, dass der Iran kaum von seinen klaren
Plänen ablassen wird, einen vollständigen Nuklear-Kreislauf für nuklearen
Brennstoff zu entwickeln und damit der Option, zur Atommacht zu werden. Es
stellt sich also die Frage, was Washington tun wird. Der grundsätzliche Wechsel
in der US-Verteidigungsdoktrin seit 2001 von der Verteidigung zum Angriff hat
die Schwelle zum Atomkrieg jedenfalls beträchtlich gesenkt, vielleicht sogar
die Schwelle zu einem weltweiten atomaren Krieg.
Das geopolitische Risiko eines Atomkriegs
Das kürzliche Einverständnis des Iran, mit Moskau über die
Brennstoffanreicherung in Russland zu reden, hat die Krise für den Moment etwas
entschärft. Am 27. Januar verkündete Präsident Bush öffentlich, dass er den
russischen Kompromissvorschlag zusammen mit China und El Baradei von der IAEA
unterstütze. Bush signalisierte wenigstens für den Moment einen deutlichen
Rückzieher, indem er erklärte: «Die Russen hatten die Idee, und ich unterstütze
sie. Ich bin der Auffassung, man sollte den Menschen erlauben, Atomenergie zu
besitzen.» Gleichzeitig meldete das Aussenministerium von Rice Bedenken an, die
russisch-iranischen Unterredungen könnten ein Trick Teherans sein, um Zeit zu
gewinnen.
Bush fügte hinzu: «Ich glaube allerdings nicht, dass man
undurchsichtigen [sic!] Regimen, die die Weltsicherheit bedrohen, erlauben
soll, Technologien zu erwerben, mit denen man eine Waffe herstellen kann.» Am
selben Tag erklärte Rice am Weltwirtschaftsforum in Davos, das Atomprogramm des
Iran stelle eine «beträchtliche Gefahr» dar, und der Iran müsse vor den
UN-Sicherheitsrat gebracht werden. Kurz gesagt, Washington versucht,
«diplomatisch» zu erscheinen, während es sich gleichzeitig alle Optionen
offenhält.
Sollte der Iran wegen Verstössen gegen den
Atomwaffensperrvertrag vor den UN-Sicherheitsrat gebracht und der Entwicklung
von Massenvernichtungswaffen angeklagt werden, scheint es aus den oben
dargelegten Gründen sehr wahrscheinlich, dass China und Russland ihr Veto gegen
Sanktionen, etwa ein Wirtschaftsembargo, gegen den Iran einlegen würden. Der
Zeitpunkt hierfür liegt irgendwann zwischen März und Mai, das heisst, wenn eine
neue israelische Regierung im Amt ist.
Von da an gibt es mehrere Möglichkeiten, wie es
weitergehen kann:
* Die IAEA
überweist den Iran an den Uno-Sicherheitsrat, der verstärkte Überwachung der
Uran-Anreicherungsanlagen auf mögliche Waffenproduktion hin vorschlägt, um
Sanktionen zu vermeiden. Im Kern hiesse das, der Iran dürfte einen
vollständigen Nuklear-Kreislauf für seinen Kernbrennstoff entwickeln und seine
Souveränität würde respektiert, solange er den Atomwaffensperrvertrag und die
IAEA-Bedingungen einhält. Das ist aus den oben dargelegten Gründen jedoch eher
unwahrscheinlich.
* Man erlaubt
dem Iran, wie Indien und Pakistan, ein kleines Arsenal von Atomwaffen zu
entwickeln als Abschreckung gegen die wachsende militärische Bedrohung durch
die USA in der Region, von Afghanistan über den Irak bis zu den Emiraten
einerseits und durch die israelische Atomstreitmacht andererseits. Der Westen
erweitert sein Angebot zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit, indem er die
iranische Öl- und Gas-Infrastruktur entwickeln hilft, und der Iran wird
allmählich in die Gemeinschaft der WTO aufgenommen und arbeitet mit dem Westen
zusammen. Eine neue israelische Regierung verfolgt eine echte Friedenspolitik
in Palästina und in -Syrien und eine neue regionale Entspannung eröffnet den
Weg für riesige neue ökonomische Entwicklungen in der gesamten Region des Nahen
Ostens, Iran eingeschlossen. Die Mullahs im Iran verlieren langsam an Einfluss.
Dieses Szenario, so wünschenswert es sein mag, ist unter den gegebenen
Umständen extrem unwahrscheinlich.
* Präsident
Bush beschliesst auf Drängen von Cheney, Rumsfeld und den anderen neokonservativen
Falken den Conplan 8022 zu aktivieren, dass heisst einen Bombenangriff auf die
Atomanlagen des Irans, und setzt - zum erstenmal seit 1945 - Atomwaffen ein. Es
gibt keine Bodentruppen, und die grossartige Pentagon-Propaganda verspricht
einen schnellen chirurgischen «Erfolg». Der Iran, auf eine solche Möglichkeit
vorbereitet, leitet eine Serie von Gegenangriffen ein unter Verwendung von
Techniken des Guerillakriegs bzw. der «asymmetrischen Kriegsführung», die sich
gegen Ziele der USA und der NATO auf der ganzen Welt richten.
Zur iranischen Antwort gehört auch, dass ausgebildete
Zellen innerhalb der libanesischen Hisbollah aktiviert werden. Weiterhin
schliesst sie die Aktivierung erheblicher Potentiale im Irak ein,
möglicherweise in Allianz mit dem sunnitischen Widerstand, um dort die 135000
noch verbleibenden US-Soldaten und das zivile Personal der USA ins Visier zu
nehmen. Zur asymmetrischen Reaktion des Iran gehört auch die Verstärkung
informeller Verbindungen zur mächtigen Hamas in Palästina, um sie für den
Heiligen Krieg gegen den US-israelischen «Grossen Satan» zu gewinnen. Israel
erlebt einen noch nie dagewesenen Terror und Sabotageangriffe von allen Seiten,
auch innerhalb seines eigenen Territoriums durch Schläferzellen arabischer
Israeli. Der Iran aktiviert trainierte Schläfer-Terror-Zellen in Ras-Tanura,
Zentrum der saudischen (weltgrössten) Ölraffinerien und Hafenanlagen zur
Verschiffung des Erdöls. In der östlichen Provinz Saudi-Arabiens um Ras Tanura
lebt eine entrechtete schiitische Minderheit, denen man historisch die Früchte
des immensen saudischen Ölreichtums verweigert hat. Es gibt etwa zwei Millionen
schiitische Muslime in Saudi-Arabien. Die Schiiten verrichten den grössten Teil
der manuellen Arbeit auf den saudischen Ölfeldern und stellen etwa 40% der
Arbeitskräfte von Aramco.
Der Iran verhängt ein sofortiges Embargo über die
Auslieferung seiner vier Millionen Barrel Öl pro Tag. Er droht damit, in der
Meerenge der Straße von Hormus einen der riesigen VLCC (Very Large Crude
Carrier) Super-Öltanker zu versenken und damit 40% des gesamten Ölflusses der
Welt zu unterbinden, wenn die Welt sich nicht an seine Seite gegen den
US-israelischen Angriff stellt. Die Meerenge hat zwei Kanäle für den
Schiffsverkehr, die jeweils eine Meile breit und von einer zwei Meilen breiten
Pufferzone voneinander getrennt sind und stellt für den grössten Teil des
Opec-Öls die einzige Wasserstrasse zum offenen Meer dar. Sie ist Saudi-Arabiens
wichtigste Exportroute.
Der Iran, ein riesiges, strategisch zentral gelegenes
Land, zweimal so gross wie das Gebiet von Frankreich und Deutschland zusammen,
mit einer Bevölkerung von gut 70 Millionen und einer der grössten
Bevölkerungswachstumsraten der Welt, ist auf einen neuen Heiligen Krieg gut
vorbereitet. Sein gebirgiges Terrain macht jeden Gedanken an eine Besetzung
durch US-Bodentruppen zunichte, vor allem heute, wo das Pentagon größte
Schwierigkeiten hat, seine bisherigen Streitkräfte für die Besetzung von
Afghanistan und den Irak zu halten. Der dritte Weltkrieg beginnt mit einer
Serie von Fehlkalkulationen und Zusammenbrüchen. Die fürchterliche
Kriegsmaschine des Pentagons - «full spectrum dominance» (Vorherrschaft zu
Land, zu Wasser, in der Luft und im Raum) - ist machtlos gegen die zunehmenden
Angriffe des «asymmetrischen Krieges» auf der ganzen Welt.
Liest man die veröffentlichten iranischen Statements und
die iranischen Zeitungen, wird einem klar, dass die iranische Regierung sehr
wohl weiss, welche Trümpfe sie in diesem globalen thermonuklearen Nervenkrieg
in der Hand hat und welche nicht.
Wenn die Bush-Cheney-Rumsfeld-Achse es riskieren würde,
einen Atomschlag gegen den Iran zu führen, würde das im heutigen geopolitischen
Kontext einen Point of no Return in den internationalen Beziehungen bedeuten.
Das Weiße Haus weiss das. Bushs Strategie der präemptiven Kriege beinhaltet die
Gefahr, dass wenn jemand wie der Iran den US-Bluff mit einem ernstzunehmenden
Reaktionspotential herausfordert, die USA kaum eine Alternative haben, als den
undenkbaren Atomschlag tatsächlich zu lancieren.
Es gibt vernünftigere Stimmen innerhalb des politischen
Establishments der USA, zum Beispiel die früheren Chefs des Nationalen
Sicherheitsrates NSC (National Security Council) wie Brent Scowcroft oder
selbst Zbigniew Brzezinski, die die tödliche Logik der präemptiven Haltung von
Bush und den anderen Falken im Pentagon nur zu klar sehen. Die Frage ist nur,
ob ihre Fraktion innerhalb des Macht-establishments der USA heute stark genug
ist, um mit Bush und Cheney dasselbe zu tun, was man mit Richard Nixon tat, als
die Ausübung seiner präsidialen Macht ausser Kontrolle geriet.
Es ist hilfreich, in Erinnerung zu behalten, dass selbst
wenn der Iran Atomwaffen besitzen sollte, die Reichweite dieser Waffen nicht
bis zum Territorium der USA gehen würde. Israel wäre das nächstmögliche Ziel.
Ein präemptiver US-Atomschlag zur Verteidigung Israels würde die Frage
aufwerfen, worin die militärischen Vereinbarungen zwischen Tel Aviv und
Washington eigentlich bestehen, ein Thema, über das die amerikanische Öffentlichkeit
zu informieren weder die Bush-Administration noch frühere Regierungen bisher
für angebracht gehalten haben.
1 Beim nuklearen Brennstoffzyklus werden primär drei
Phasen unterschieden: Die Versorgung (front end) - die Nutzung (use) - die
Entsorgung (back end). (Anmerkung des Übersetzers)
Die iranische Ölbörse - ein Casus belli?
von F. William Engdahl
In letzter Zeit fanden sich vor allem in
Internet-Berichten beträchtliche Diskussionen darüber, dass die baldige
Eröffnung der Teheraner Ölbörse, die im Laufe des März erwartet wird,
vielleicht der wahre Grund für Washingtons Vorbereitungen eines Militärschlages
gegen den Iran sein könnte. Indem man den Käufern anbiete, das Öl in andern
Währungen als in US-Dollar zu handeln - so das Argument -, breche der
US-Dollar, die finanzielle Säule des amerikanischen Imperiums, zusammen und
damit auch die globale Hegemonie der Vereinigten Staaten. Dieses Argument, so
überzeugend es auch scheinen mag, hat grundsätzliche Schwachstellen. Die
einzige Währung, die den Dollar als bevorzugte Währung des Welt-Ölhandels
möglicherweise gefährden könnte, ist natürlich der Euro.
Nehmen wir um des Argumentes willen an, dass China, Japan,
Indien, Ost-Asien und die Länder der EU auf einmal bereit wären, Öl in Euro zu
handeln, so wie es Saddam Hussein ab November 2000 mit dem irakischen
Öl-für-Nahrungsmittel-Programm tat, dann würde der Handel in Form eines
begrenzten Angebots von Euro auf den internationalen Finanzmärkten schon bald
in einer Sackgasse enden. Die Grenze liegt hier bei der Europäischen
Zentralbank EZB und dem Maastricht-Vertrag. Die EZB ist durch Maastricht
verpflichtet, den Umlauf an Euro strikt zu begrenzen, die Disziplin bei der
Staatsverschuldung durchzusetzen und die Neuverschuldung durch die Regierungen
zu begrenzen. Solange dies bei der EZB so bleibt, besteht für die Rolle des
Dollar keine ernsthafte Herausforderung. Aber die Sache ist noch komplexer. Die
Rolle des Dollar als Währungsreserve für den Welthandel und die Zentralbanken
ist grundsätzlich politischer Natur. Es ist eine politische Entscheidung der
Japaner, den US-Dollar teilweise als Gegenleistung für den atomaren
Verteidigungsschirm durch die USA zu unterstützen. Dasselbe gilt für
Saudi-Arabien. Die Regierungen und Wirtschaftsführer der Europäischen Union
sind so eng in ein Netz von Abhängigkeiten vom Dollar eingebunden, dass sie alles
fürchten, was sich gegen Washington oder den Dollar richten könnte.
Der Mann, der Teheran bei der Einrichtung der Ölbörse als
privater Berater diente, ist Chris Cook, ehemaliger Direktor der Londoner
Ölbörse International Petroleum Exchange (IPE). In einer kürzlich in der «Asia
Times» erschienenen Kolumne beschreibt Cook seine Rolle seit 2001: Er
versuchte, die Behörden in Teheran davon zu überzeugen, dass eine lokale
Ölbörse - die lokales Rohöl vom Persischen Golf handelt, den Iran und andere
Opec-Staaten von der Manipulation des Ölpreises durch grosse Investmentbanken
in New York und Europa befreien könnte, da diese Banken Finanzderivate und
andere Mittel einsetzen, um immense Profite auf dem Papier zu machen. Wie Cook
hervorhebt, «ist die Denomination der Ölverkäufe reine
Transaktionsangelegenheit: was zählt, ist, in welchen Vermögenswerten (oder, im
Falle der Vereinigten Staaten, in welchen Schulden) diese Einnahmen dann
investiert werden.» Die Hintergründe, auf Grund derer Washington einen Angriff
auf den Iran führen könnte oder nicht, sind grundsätzlicher. Die Ölbörse stellt
in der gegenwärtigen Situation eine symbolische Bekundung von Irans Wunsch dar,
weniger abhängig von einer US-dominierten Dollar-Welt zu sein, aber mehr nicht.
Zeit-Fragen Nr.7 vom 15.2.2006